1. Advent - Das Lied der bunten Vögel
In Ghana gibt es riesige Urwälder mit Bäumen, die fast in den Himmel wachsen. Oft regnet es dort sehr stark, und dann scheint plötzlich die Sonne wieder ganz heiß, und alle Arten von Pflanzen und Blumen wachsen wild durcheinander. Es ist ein Paradies für Tiere, ganz besonders für die prächtigsten Vögel, die man sich vorstellen kann. So kam es, dass in diesem wunderschönen Land das Märchen von den singenden Vögeln entstanden ist.
In einem Wald lebten fünf Vögel nahe beieinander, der eine hatte weiße Federn, so weiß wie die Wolken am Himmel, der zweite hatte flammend rote Federn, so rot wie die Blüten der Jacaranda Bäume, der dritte hatte ein tiefblaues Gefieder so blau wie der Himmel über Ghana, der vierte hatte gelbe Federn, so leuchtend gelb wie die saftigsten Zitronen an den Bäumen, und der fünfte hatte grüne Federn, so gründ wie die Blätter im Wald. Auf der Suche nach Essen, so erzählen die Alten, entdeckten die Vögel, dass mit ihnen im Wald ein alter Mann lebte. Er sei, so hieß es, sehr großzügig. Also spannten die fünf prächtigen Vögel ihre Flügel aus und machten sich auf dem Weg zu ihm. Als sie von oben sein Häuschen entdeckten, stimmten sie ihren Kanon an: Tse Tse Kule sangen die einen, Tse Tse Kunsa die anderen, immer im Wechsel und immer schneller. Es klang als würde ein fröhlicher, vielstimmiger Chor durch die Luft tanzen. „Wir sind Geschwister, keiner kann uns trennen, einer für alle und alle für einen.“
Der alte Mann war hingerissen von dem Gesang und überhäufte die gefiederten Freunde mit dem besten Futter. So kamen sie jeden Morgen bei Tagesanbruch wieder und ernteten als Dank für ihren betörenden Gesang reichlich zu fressen. Doch irgendwann kam dem Vogel mit den weißen Federn der Gedanke: "Wenn ich früher als die anderen da bin und alleine singe, bekomme ich die köstlichsten Körner für mich alleine." Als gerade die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont strichen, flog der weiße Vogel alleine los. Als er zur Hütte kam, stimmte er sein Tse tse an, es war kein vielstimmiges, fröhliches Lied, sondern nur ein einstimmiges tse, tse. Der alte Mann stürmte nach draußen, um zu sehen, wer den Lärm veranstaltete. Er erkannte den einsamen weißen Vogel nicht wieder und verscheuchte ihn. Nur kurz darauf kam der rote Vogel und stimmte sein einsames Lied an. Dann kam der blaue, der gelbe und der grüne Vogel, jeder versuchte für sich alleine mit seiner Kunst den Alten zu betören und jeder wurde von dem Alten fortgejagt. Betrübt flogen sie zurück zu ihren Nestern, es dauerte eine Weile, bis der weiße Vogel von seinem Misserfolg erzählte, dann berichteten auch die anderen von ihrem missratenen Versuch. Erst herrschte betretenes Schweigen, dann mussten alle lachen, weil sie so töricht gewesen waren. Die Fünf beschlossen, künftig nur noch gemeinsam zu singen. Sie machten sich auf zu dem alten Mann, schließlich hatten alle lange nichts gegessen und waren sehr hungrig. Der Alte freute sich schon, als er die fünf prächtigen Vögel kommen sah. Er berichtete ihnen von den „komischen Vögeln“, die über seiner Hütte aufgetaucht waren und so gelärmt hatten. So schön wie an diesem Abend hatten die fünf Freunde noch nie gesungen, sie waren wieder vereint und sie hatten gelernt: „Wir bekommen nur zu Essen, wenn wir zusammen halten.“
"Das Lied der bunten Vögel" singen Kinder aus Ghana zur Weihnachtszeit, wenn sie von Hütte zu Hütte ziehen und um Süßigkeiten bitten. Albert Osei-Wusu aus Ghana hat das Märchen an Weihnachten 2009 in München erzählt, und Kobna Anan hat aus dem Märchen ein farbenprächtiges Märchenbuch unter dem gleichnamigen Titel "Das Lied der bunten Vögel" herausgebracht.
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