Zur Schule bei den Buschmenschen

San Kinder in ihrem Dorf (c) Survival InternationalDie Buschmenschen werden auch San genannt, sie selbst nennen sich Buschmenschen, denn sie leben im Buschland im südlichen Afrika. Das Buschland gehört zur Halbwüste Kalahari. Hier gehen sie auf die Jagd und sammeln Früchte, Honig und Wurzeln. Muss man da überhaupt eine Schule besuchen? Ja, nur ist diese Schule ganz anders als unsere Lehranstalten. Die Busch-Schule besitzt keine Mauern, es gibt keine Stifte oder Bücher und vor allem gibt es keine Zeugnisse! Der Grund? Die Schule der Buschmenschen befindet sich mitten in der trockenen Savanne. Wasser und Nahrung sind knapp. Deshalb wird der Stundenplan vom täglichen Überleben bestimmt.

Wasser finden und bewahren

BuschmannfamilieKalahari bedeutet „der große Durst“, denn Wasser ist in der Wüste knapp. Deshalb lernen Buschkinder vieles über Wasser, Regen und wo Wurzeln wachsen, aus denen sie Wasser gewinnen. Im täglichen Kampf ums Wasser haben sich die Buschmenschen zu wahren Überlebenskünstlern entwickelt. Sie machen sich im Morgengrauen auf die Suche nach Tau. Mit einem leeren Straußenei fangen sie die Tautropfen von den Blättern und Bäumen auf. Dabei kommt eine ganze Menge Wasser zusammen. Straußeneier sind ziemlich groß, mit ihren harten Schalen sind sie perfekte Wasserbehälter. Wenn die Buschmenschen nicht alles Wasser trinken, vergraben sie die Eier mit dem restlichen Wasser im Sand. Die Stelle markieren sie mit Blättern und Zweigen, so dass sie das Wasser wieder finden.

Naturkunde

Auf dem Lehrplan der San-Kinder steht Naturkunde ganz oben. Sie lernen, welche Früchte und Beeren genießbar sind, wo bestimmte Wurzeln wachsen, welche Pflanzen der Heilung dienen und welche Pflanzen giftig sind. Gift benötigen sie zum Präparieren ihrer Pfeile. San-Kinder lernen mehr als zweihundert verschiedene Pflanzen zu unterscheiden. Wir kennen gerade mal dreißig. Sie wissen, mit welchen Blättern man Kleider färben kann und welche Blätter als Toilettenpapier dienen.

Sammeln und Jagen

San-Kind mit Pfeil und Bogen (c) survival internationalDie Jagd ist für Jungen und Mädchen gleichermaßen wichtig. Tierspuren lesen ist das ABC der Buschleute. Schon von klein auf lernen sie, aus Spuren vieles über die Tiere und ihre Eigenarten herauszufinden. Sie können sogar daraus erkennen, ob ein Tier krank ist. Sie wissen, wo die Elefanten schlafen. Am liebsten tun sie das nämlich unter den Marulabäumen. Wenn sie den Rüsseltieren folgen, können sie die Früchte des Marulabaums ernten. Aus dem Dung der Jumbos gewinnen sie Wasser! Jungs lernen die großen Wildtiere zu jagen, mit Pfeil und Bogen umzugehen und Gift herzustellen. Mädchen lernen, kleinere Tiere zu jagen wie Hasen, Schlangen oder Echsen. Dazu gehört auch, Fallen zu bauen und zu stellen sowie Bienennester ausfindig zu machen. Honig ist nicht nur ein vitaminreiches Nahrungsmittel, sondern auch eine wertvolle Tauschware.

Schon gewusst? Jeder Junge muss eine Elenantilope erlegen, bevor er mit sechzehn in die Gemeinschaft der Jäger aufgenommen wird.

 

Himmelskunde und Navigation

Wetterkunde und die Bestimmung von Wolkenarten sind äußerst wichtig: Welche Wolken bringen Regen und welche verkünden einen Wüstensturm? Das ist ein Kernfach im Busch-Lehrplan, denn es regnet nur etwa alle zehn Monate in der Kalahari. Die San besitzen keinen Navi, und in der Wüste gibt es keine Ortsschilder. Wenn die Buschmenschen auf die Jagd gehen, dann entfernen sie sich manchmal vierzig bis sechzig Kilometer weit weg von ihren Siedlungen. Deshalb lernen sie, sich am Sonnenstand, Mondlicht und an Sternbildern zu orientieren. Ein wichtiges Sternbild am südlichen Himmel ist die Giraffe. In einer Gegend ohne Straßen sind auch die ausgetrockneten Flußläufe wichtige Wegmarken.

 

Feuer machen

Herstellen des Gifts für Pfeile (c) Werner HammerFeuer machen will gelernt sein. Die  Buschmenschen benötigen zum Feuermachen Straußeneier und einen Holzstab. Zuerst zerkleinern sie Straußeneier und schleifen mit einem scharfkantigen Stein daraus runde Plättchen. Dann drehen sie einen Holzstab so lange auf dem Plättchen, bis sich die Schale erhitzt. Die ersten Funken entzünden trockenes Gras. Mit der Zugabe von Holz wird daraus ein richtiges Lagerfeuer. Das Feuer ist nicht nur zum Kochen wichtig, sondern auch, um nachts Raubtiere fern zu halten.

 

Wie wird eine Rundhütte gebaut

Eine Rundhütte zu bauen dauert vier oder fünf Tage. Alle helfen mit. Die Erwachsenen beschaffen Hölzer und bauen damit die Grundkonstruktion. Die Kinder müssen die richtigen Gräser sammeln, um Matten für das Dach zu knüpfen. Dabei lernen sie, welche Gräser Regen abweisen und welche vor Hitze bewahren. Mädchen lernen Schmuck aus Muscheln und Kleidung aus Leder herzustellen. Natürlich gibt es in einer Rundhütte kein fliessendes Wasser und keine Toilette. Aber sie bietet Schutz in der Nacht. Und das ist im Busch das wichtigste. Denn die Nacht gehört den Raubtieren! Und denen läuft man nachts besser nicht über den Weg.

 

Musizieren, Tanzen, Orakel deuten

Den Bau von Musikinstrumenten wie Rassel, Daumenklavier, eine Art Zitter oder Trommeln gucken die Jüngeren den Älteren ab. Tanzen ist besonders beliebt. Trancetänze anlässlich bestimmter Feste wie der „großen Heiltanz“, der „Regentanz“ oder der „Tanz des Antilopenbullen“ anlässlich einer Hochzeit werden von Kind an eingeübt. Eines der spannendsten Fächer ist das Orakellesen. Vor jeder Jagd wird das Jagdglück bestimmt mit Tonstücken. Dabei wird Größe und Lage der Tonstücke gedeutet. Ein gutes Orakel ist für die Buschmenschen die Voraussetzung für eine erfolgreiche Jagd.

 

Lernen von den Buschmenschen

Die Buschmenschen kennen die Wildnis und besitzen ein Wissen über die Natur und den Kosmos, das wir durch die Jahrtausende verloren haben. Doch wir schätzen ihr Wissen leider nicht. Die Buschmenschen leiden darunter, dass sie als „primitives“ Volk angesehen werden. Deshalb hat die Regierung in Botswana westliche Schulen für die Kinder der Buschleute eingerichtet, um sie an die moderne Zivilisation anzupassen. Zu dumm nur, dass in der Schule nicht in der Sprache der Buschmenschen unterrichtet wird. Der Unterricht ist deshalb für die Kinder schwer verständlich und außerdem zu autoritär, es gibt nämlich sogar körperliche Strafen. Deshalb sind die Kinder frustriert und ihre Eltern sind entsetzt. Körperliche Strafen ist ein no go bei den Buschmenschen. Das Schul-Experiment ist erst mal schief gegangen. Danach ist allen klar geworden, dass Lernen nur in einem gegenseitigen Austausch funktioniert. Die Lehrer müssen die Sprache und Lebensweise der Buschmenschen erlernen. Erst dann können sie den Kindern der Buschleute die westliche Bildung vermitteln. Sie haben dabei noch etwas sehr Wichtiges erkannt: Auf ihrer Reise durch die Jahrtausende haben die Buschleute ihre traditionelle Lebensform bewahrt. Sie haben ihre Werte nicht durch die sogenannte Zivilisation aufgegeben. Lernen wir also mehr von den Buschleuten, beherzigen wir ihren obersten Grundsatz: Solidarität mit allen Lebewesen und mit der Natur! 

Der Buschmann und Menschenrechtler Roy Sesana sagt: "Man darf nicht mehr nehmen als man gerade braucht. Sonst zerstört man die eigenen Lebensgrundlagen wie auch die Grundlagen der Kinder und Enkel."

 

  Hier siehst du einen Film über die Buschleute

 

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