Die Tuareg - Nomaden der Wüste

Die Tuareg galten einst als Piraten der Wüste. Sie zählen zu den Berbern und sind wie kein anderes nordafrikanisches Volk mit der Wüste und dem Sahel vertraut. Einst überfielen sie die großen Handelskarawanen, die Gewürze, Gold und Salz durch die Sahara transportierten. Noch heute betreiben einige Tuareg den Salzhandel durch die Wüste. Sie können unter widrigsten Umständen überleben und sind ausgezeichnete Reiter.

 

               Salzkarawane

 

Herkunft und Geschichte

Die Tuareg leben in den südlichen Randzonen der Sahara, aufgeteilt auf die fünf Staaten Niger, Libyen, Algerien, Mali und Burkina Faso. Sie sind Halbnomaden, geprägt von den extremen Bedingungen in der Wüste. Die geheimnisvolle Verschleierung der Gesichter der Männer fiel bereits den ersten europäischen Reisenden auf. Sie waren mit langen Schwertern und Schildern bewaffnet und ritten auf weißen Reitkamelen. Daher nannten sie andere Völker "Ritter der Wüste". Die schwarzafrikanischen Völker südlich der Sahara hüteten sich vor den Kriegern der Tuareg, die regelmäßig ihre Dörfer überfielen und die Bewohner gefangen nahmen. Die Gefangenen verkauften die Tuareg auf den Sklavenmärkten in Nordafrika oder an arabische Sklavenhändler. Selbst die europäischen Kolonialtruppen hatten Angst vor ihnen und scheuten die kriegerische Begegnung mit den Tuareg.

              

Woher stammen die Tuareg?

Das Wort Tuareg stammt von Targa, dem berberischen Namen für das Fezzan. Die Vorfahren der Tuareg sind berberische Libyer, die zwischen der großen Syrte, dem Fezzan und dem Ostufer des Nil lebten. Als sie im 7. Jahrhundert von muslimischen Heeren vertrieben wurden, breiteten sie sich in der zentralen Sahara aus. Nach dem Untergang des Songhaireiches im 16. Jahrhundert drangen die Tuareg in die Sahelzone ein. Sie eroberten Timbuktu und das Sultanat Aïr. Auf dem Foto oben siehst du ein Kriegerfest der Tuareg. Mit ihren vermummten Gesichtern und ihren langen Schwertern sehen sie wirklich furchterregend aus. Auf der Karte rechts siehst du das Verbreitungsgebiet der Tuareg über die Sahel- und Wüstenländer von Nordafrika.

Ein Wegenetz in der Sahara

Touaregs_at_the_Festival_au_Desert_near_Timbuktu_MaliIm Lauf vieler Jahrhunderte entwickelten die Tuareg ein gut organisiertes Wegenetz in der Wüste. Das Wegenetz reichte über Tausende von Kilometern. Dazwischen legten sie Oasen an mit künstlichen oder natürlichen Wasserquellen. So konnten sie den Transsahara-Handel beherrschen. Noch heute ziehen die Händler der Tuareg mit den Salzkarawanen durch die südliche Sahara. Heute sind viele Tuareg halbnomadisch geworden. Sie betreiben eine mobile Weidewirtschaft. Sie ziehen mit ihren Tieren von Wasserstelle zu Wasserstelle. Die Viehmärkte im Sahel sind wichtige Stationen auf ihrer Reise durch Wüste und Trockensavanne. Du erkennst die Tuareg an ihrer blauen Kleidung.

 

Timbuktu und Agadez, die Perlen der Wüste

Die Moschee von DjennéNomaden wie die Tuareg besitzen kein Land. Aber im Unterschied zu anderen Nomaden besitzen die Tuareg eine Stadt! Diese Stadt heißt Timbuktu. Sie war einst eine Oase mit einem Brunnen. Damals lag Timbuktu noch nahe am Niger. Die Tuareg eroberten die Stadt, denn sie war das wichtigste Handelszentrum zwischen Wüste und Sahel. Im 10. Jahrhundert nach Christus erweiterten die Tuaregvölker den Ort zu einer Handelsstation mit einem Markt, mit Moscheen und Lehmhäusern. Die Straßen besitzen keine Namen. Für die Bewohner ist das unnötig, sie haben das Wegenetz im Kopf.

Mehr über Timbuktu

Das Leben der Tuareg

Die Tuareg leben in Großfamilien. Frauen haben eine starke Stellung. Sie wählen ihre Partner selbst aus und können diese auch verlassen. Um die Kinder kümmert sich die ganze Großfamilie, auch die Männer sind sehr fürsorglich zu ihren Kindern. Die Frauen sind unverschleiert. Sie haben ein Mitspracherecht und nehmen an den Diskussionen teil, welche rund um die Teezeremonie stattfinden. Ihre Schmähungen sind gefürchtet! Die Eheleute leben meist monogam, Scheidungen aber sind häufig. Im Gegensatz zum arabischen Islam haben auch die Frauen das Recht sich scheiden zu lassen. Ein Mann, der seine Frau schlägt, wird von der Tuareggemeinschaft geächtet! Tuareg-Frauen sind geschickte Lederhandwerkerinnen. Sie färben Leder und stellen die im Nomadenhaushalt benötigten Matten, Beutel und Taschen her.
 

Die Tuareg, ein Volk mit vielen Traditionen

Trotz des Wandels lieben die Tuareg ihre Traditionen, dennoch müssen sie sich dem Zeitenwandel anpassen. In keinem nordafrikanischen Land werden sie als gleichberechtigte Bürger anerkannt. Deshalb kommt es oft zum Streit mit anderen Völkern. Sie haben kein Gebiet, das sie als ihr Land ausrufen können, mit eigenen Grenzen und eigener Hauptstadt, weiß man derzeit nicht. Die verlorene oder versunkene Oase Gewas ist in der Tuareg-Kultur ein wichtiges Symbol. Sie steht für die Sehnsucht nach einer paradiesischen Welt voller Reichtümer und Überfluss. Dieser Vorstellung zur kargen Wirklichkeit der Wüste dient als eine Art Trost. In der Vorstellung der Tuareg kann nur derjenige diesen legendären Ort finden, der nicht gezielt nach ihm sucht.

 

Zur Schule bei den Tuareg

Der 13-jährige Fourre lebt mit seiner Familie in einem traditionellen, runden Tuareg-Zelt. Alle schlafen unter dem gemeinsamen Zeltdach. Es gibt kein fliessendes Wasser und keine Toiletten. Gekocht wird auf einer Feuerstelle vor dem Zelt. Das tägliche Leben ist gut organisiert, aber beschwerlich. Für die Tuareg ist ihre Freiheit das allerwichtigste, dafür verzichten sie auf die Annehmlichkeiten der Zivilisation. Schulen, wie wir sie kennen, westliche Bildung, sind für sie nicht so wichtig wie die Schule der Nomaden. Dazu gehört der Umgang mit der Natur und das Überleben in der Wüste. Wie viele Nomadenkinder besucht auch Fourre keine Schule. Doch bei den jüngeren Geschwistern ändert sich das. Es gibt Wanderschulen, die an den Orten Station machen, wo sich die Tuareg aufhalten. Das sind Oasen und Märkte in den Städten am Rand der Wüste. Fourre lernt von seinem Vater und den älteren Männern seines Stammes alles über die Wegenetze in der Sahara, er lernt, wie man Kamele züchtet und was er zum Überleben in der Wüste braucht. Statt in die Schule zu gehen, hilft Fourre beim Hüten und Melken der Kamele. Die "Wüstenschiffe", wie sie auch genannt werden, liefern Milch und sind wichtig für den Transport von Gepäck und Waren. Er bereitet sich darauf vor, ein echter Karawanenmann zu werden. Es ist eine entscheidende Bewährungsprobe, wenn er das erste Mal mit einer Karawane zu den Salzoasen in der Sahara zieht. Dort tauschen die Tuareg Vieh gegen das lebenswichtige Salz. Für ihn ist das ein wichtiger Schritt ins Erwachsenenleben. Die Strapazen des tagelangen Marsches unter glühender Sonne sind sehr groß. Wasser ist kostbar und wird nur sparsam zugeteilt. Fourre muss sich daran gewöhnen, mit Wasser hauszuhalten. Tagsüber wird kein Tropfen Wasser getrunken. Nur morgens und abends zur Teezeremonie. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Kamele jeden Morgen zu beladen und am Abend wieder von ihrer Last zu befreien. Auch im Lager gibt es stets etwas zu tun: zum Beispiel Tee kochen, Essen austeilen und die Tiere versorgen. Salzkarawanen sind zwar längst nicht mehr wirtschaftlich, aber für die Tuareg gehören sie zur angestammten Lebensweise. Daher ist auch Fourre stolz darauf, Karawanenmann zu werden und damit ein vollwertiges Mitglied seiner Sippe. Das schönste dabei sind die Kamelrennen.


Glaube und Tradition der Tuareg

Die Tuareg sind Anhänger des Islam. Doch sie pflegen ihren alten Glauben, in dem Ahnenkult sowie gute und böse Geister eine große Rolle spielen. Die Verbindung zu den Ahnen ist allgegenwärtig und darf nicht gestört werden. Sie unterteilen die Welt in drei Bereiche: das Erdinnere, die Erdoberfläche und den Himmel. Im Erdinneren leben die Geister und Dämonen. Oben auf der Erdoberfläche die Menschen mit allen Tiere und Pflanzen. Der Himmel ist der göttliche Bereich. In ihrem Volksglauben ist zugleich der Mond- und Sonnenkult enthalten. Die Tuareg begrüßen bei jedem Neumond den neuen Monat mit Gewehrschüssen und einem Gebet. Eine Sonnenfinsternis fürchten sie, da sie das Ende der Welt bedeuten kann. Es ist für sie ein Raubzug des Mondes, der gegen die Sonne kämpft. Während die Sonne verfinstert ist, verstecken sich die Tuareg, um sich gegen böse Geister zu schützen. Am Ende jeder Sonnenfinsternis siegt jedoch Allah und befreit das Sonnenlicht wieder. Die Tuareg tragen zur Abwehr böser Geister Amulette. Oft bestehen die Amulette aus magischen Zeichen, die in Leder gebunden sind. Frauen tragen Schmuck, der sie beschützen soll. Meist ist dieser Schmuck wie eine Hand geformt. Sie stellt die schützende Hand der Fatima dar, der jüngsten Tochter des Propheten Mohammed, die als Schutzheilige verehrt wird.

Die Feste der Tuareg

Tuaregfamilie_Niger

Kamele sind für die Tuareg lebenswichtig, denn sie betreiben den Salzhandel durch die Wüste mithilfe von Kamelen. Tendé wird auch das Fest „Tanz der Kamele“ genannt. Dabei sitzen die Frauen dicht beisammen und singen. Eine Vorsängerin trommelt auf dem mit Ziegenhaut bespannten Hirsemörser, der Tendé genannt wird, und die Männer umrunden die Frauen auf ihren Kamelen. Esele ist eine Art „Wüstendisco“, bei der junge Frauen die Männer mit rhythmischem Gesang und Händeklatschen zum Tanz auffordern. Gitarrenmusik ist sehr beliebt und wird oft mit traditionellen Instrumenten kombiniert. Hochzeiten haben im Leben der Nomaden eine große Bedeutung. Frauen und Männer tragen edle Kleidung, und nach der Trauung wird Tendé-Musik gespielt. Wenn du zu Gast bist bei den Tuareg, dann wirst du mit der Tee-Zeremonie in ihre Gemeinschaft aufgenommen. Wie in der gesamten Sahelzone ist zeremonielles Teetrinken ein wichtiger Bestandteil der Alltagskultur. Es werden drei unterschiedlich starke Aufgüsse gemacht. Ein Gast, der drei Gläser ausgetrunken hat, steht unter dem Schutz der Tuareg.

 

Musik der Tuareg