Völker und Sprachen

In Äthiopien leben über hundert verschiedene Völker, die achtzig verschiedene Sprachen sprechen. Unter diesen Völkern gibt es mehrere, sehr alte Volksgruppen wie die Amharen. Amharisch ist auch die Amtssprache in Äthiopien. 

Die Amharen

Kinder Äthiopien

Die Amharen leben in der Amhara Region und in den großen Städten. Im Hochgebirge von Ähtiopien entstand die christliche Hochkultur des Landes. Als Gründer des christlichen Königreiches gilt der Sohn der Königin von Saba. Forscher vermuten, dass die Königin von Saba aus dem Volk der Amharen stammte. Sicher ist, dass die Amharen schon seit vielen Jahrhunderten ein ausgeklügeltes Staatswesen besitzen. Sie waren gefürchtete Krieger und geschickte Diplomaten. Etwa 24 Prozent der Äthioper sind Amharen. Lange haben sich die Amharen als die natürlichen Herrscher über das frühere Königreich Abesssinien betrachtet. Sie bestimmten seit Jahrhunderte die Geschicke des Landes. Zwar wurde Kaiser Haile Selassie 1974 gestürzt. Doch sein Nachfolger, der Sozialist Mengistu Haile Mariam, war auch ein Amhare. Er überzog das Land mit Terror und hat eine Million Hungertote zu verantworten. Erst nach seinem Sturz wurde die Vorherrschaft der Amharen beendet.

Die Oromo

Das größte Volk in Äthiopien sind die Oromo. Zu ihnen zählen 40 Prozent der Äthiopier. Sie siedelten im südlichen, äthiopischen Hochland. Vor zwei Jahrhunderten zogen sie in den Westen und Osten des Landes. Dort nahmen sie Sprache und Kultur der christlichen Bauern an. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts annektierte Kaiser Menelik II. weite Teile des Siedlungsgebiets der Oromo. Sie mussten ihren neuen Herren Abgaben entrichten. So entstanden tiefsitzende Ressentiments gegen die herrschende Volksgruppe der Amharen. Nach dem Sturz des Mengistu-Regimes 1991 erhielten die Oromo einen eigenen Bundesstaat - "Oromia". Heute betreiben die Oromo Viehzucht und Salzhandel. Die Männer dürfen mehrere Frauen heiraten, wobei jede der Frauen ihr eigenes Zelt sowie Ziegen und Schafe hat. Typisch für die Oromo Frauen ist der prächtige Haarschmuck, den sie aus bunten Perlen herstellen   

 

Die Tigray

Die Tigray leben an der Grenze zu Eritrea, im Hochgebirge des Landes. Sie selbst bezeichnen sich als Hochlandbewohner. Als semitisch sprechendes Volk datieren sie ihren Ursprung zurück bis auf 2 000 v. Chr. Sie sind eine kleine Volksgruppe, sie machen nur etwa sechs Prozent der Bevölkerung aus. Doch sie besetzen die wichtigsten Stellen in der Regierung und beim Militär. Doch die Mehrheit betreibt heute wie früher Landwirtschaft und Viehzucht. Sie sind christlichen Glaubens. Der Alltag wird stark von den alten, religiösen Riten der Tigray bestimmt. Die Tigray Frauen tragen viele, eng am Kopf geflochtene Zöpfe.

 

Die Somali

Die Somali ziehen mit ihren Kamelherden durch die Savanne und Halbwüste im Süden Äthiopiens. Die Frauen bauen die Zelte aus Matten und Häuten auf- und ab und beladen die Lastkamele. Die Somali leben streng nach dem Islam. Blutrache bei den Männern und Beschneidung der Frauen ist noch immer verbreitet. Die kleinere nomadische Volksgruppe der schwarzhäutigen Afar oder Danakil lebt heute überwiegend in Dorfgemeinschaften in der Danakil-Senke.

Die Hamar

Eine weitere kleine Volksgruppe sind die Hamar, die am Omo-Fluss leben. Seit Touristen ihre ungewöhnlichen Riten entdeckt haben, gehören sie zu den bekanntesten Völkern in Ostafrika. Auf dem Foto links siehst du Kinder aus dem Volk der Hamar. Das Mädchen trägt eine Kette aus Kaurimuscheln, wie alle Mädchen ihres Volkes. Die Hamar leben im Südwesten von Äthiopien, am Fluss Omo. Der Omo ist die Lebensader im heißen Südwesten. Die meisten leben als Halbnomaden in der kargen Savanne, zwischen trockenen Rizinusbüschen und Akazien. Die Hamar leben in einfachen Dörfern, die Hütten sind aus Zweigen und Stöcken erbaut. Die Frauen betreiben Landwirtschaft und bauen Hirse an. Die Männer züchten Rinder und Ziegen oder gehen zum Fischfang. Je größer ihre Vieherde, umso mehr werden sie geachtet. Das besondere an den Hamar sind ihre Rituale.

Der Bullensprung

Die Frauen tragen Rückennarben, sie stammen von dem Initiationsritual, dem "Bula". Der Bullensprung ist Höhepunkt eines dreitägigen Hochzeitsrituals, das vor der Regenzeit abgehalten wird. Seit Jahrhunderten vollziehen die Hamar diese Tradition. Der Bräutigam durchläuft eine Art symbolischer Zeugung und Geburt, wenn sein Vater ihn für zeugungsfähig hält. Er muss nackt über eine Reihe von Bullen springen, die von den männlichen Trauzeugen zusammen getrieben werden. Er hat die Prüfung bestanden, wenn er mindestens über 8 Bullen gesprungen ist ohne runter zu fallen. 

Das Auspeitschen

Die Trauzeugen schminken ihre Gesichter feierlich mit roten Punkten auf weißem Lehm. Auch die Kinder schminken sich gegenseitig, denn sie wollen genauso schön geschmückt sein wie die Erwachsenen. Die Mädchen des Clans treffen sich vor dem Bullensprung zum traditionellen Auspeitschen. Davon bekommen sie wulstige Narben, je größer die Narben desto schöner werden sie empfunden. Das Auspeitschen tut natürlich weh, doch sie lachen, um zu beweisen, dass sie nicht wehleidig sind. Für sie ist es die höchste Ehre, an dem schmerzlichen Ritual teilzunehmen.

Das Leben auf dem Land

Das Leben auf dem Land ist beschwerlich. Frühmorgens muss erst mal Wasser vom Brunnen geholt werden. Die Viehbauern treiben die Rinder zur Wasserstelle. Die Frauen und Kinder arbeiten auf den Feldern. Nur die Hälfte aller Farmerkinder besucht die Schule. Denn es gibt einfach zu Hause zu viel zu tun. Die andere Hälfte beaufsichtigst die kleineren Geschwister und erledigt den Haushalt.

 

Religion

Für die Äthiopier spielt der Glaube eine große Rolle. Er bestimmt ihren Alltag, ihre Kultur und ihre Identität. Die Bedeutung des Glaubens sieht man auch an den vielen Kirchenbauten. Äthiopien gehört zu einem der ältesten christlich geprägten Staaten der Erde. Bis zum Sturz der Monarchie im Jahr 1974 waren Kirche und Regierung eng verbunden. Auch heute machen die Christen mehr als 60 Prozent der Gläubigen aus. Der Norden Äthiopiens ist überwiegend christlich. Das äthiopisch-orthodoxe Christentum ist vor allem unter Amharen und Tigray verbreitet. Etwa 30 bis 40 Millionen Anhänger zählt die Kirchengemeinschaft. Es gibt zahlreiche Männer- und Frauenklöster, die eine wichtige Rolle als kulturelle, soziale und spirituelle Zentren spielen.

Ein Drittel der Äthiopier sind Muslime. Sie gehören dem sunnitischen Islam an, der schon seit Jahrhunderten im Osten von Afrika heimisch ist. Vor allem in den Städten Harar, Wällo und Jima bildeten sich Zentren islamischer Gelehrsamkeit heraus. Auf dem Foto links siehst du Musliminnen. Sie tragen Kopftücher und traditionelle Kleidung, aber sie bedecken nicht ihr Gesicht wie viele Musliminnen in Ägypten oder anderen nordafrikanischen Ländern. Neben diesen Weltreligionen pflegen die Völker noch ihren traditionellen afrikanischen Glauben. Offiziell sind nur 3 Prozent der Gläubigen Animisten, so werden die Angehörigen des traditionellen, afrikanischen Glaubens genannt. Doch fast alle Äthiopier glauben an Hexenmeister und die Ahnengeister. Die alten magischen Riten sind fest in Äthiopien verankert. Hexenmeister sind sehr geachtet. Sie werden aufgesucht, wenn es um Krankheit, Liebe, Kinderwunsch oder beruflichen Erfolg geht.

Feste und Feierlichkeiten

Timkat Fest in GondarDie meisten Äthiopier sind Christen und feiern dieselben Feste wie wir. Das wichtigste Fest ist Fassika, das Osterfest, das sie allerdings später feiern, denn sie unterteilen das Jahr in 13 Monate. Zwei Monate vor Ostern halten alle Menschen eine strenge Fastenzeit ein. Sie essen kein Fleisch, keine Milch oder Butter. Aber an Ostern feiern sie ein üppiges Fest. Als Festmahl gibt es Lammgulasch und Fladenbrot. Eines der beliebtesten Feste ist das Meskel-Fest oder Festival des Feuers. Es basiert auf der Legende der Heiligen Helena und der Kreuzfindung Jesu. Kinder lieben dieses Fest besonders, denn die Mütter nähen für diesen Anlass besonders prächtige Kleider. Wenn sie schon etwas größer sind, dürfen sie bei dem Fest schon eine brennende Fackel tragen. Was es mit dem Feuer dabei auf sich hat?

Hier erfährst du mehr über das Meskel Fest