Die abenteuerliche Reise der Zugvögel

Etwa zwei Milliarden Zugvögel machen sich ab August auf den Weg nach Afrika. Einige kennen den Weg, sie sind erfahren und wissen, welche Abenteuer und Gefahren ihnen bevorstehen. Viele jedoch machen die weite Reise zum ersten Mal. Reisefieber erfasst alle, sobald die Tage wieder kürzer werden. Dann hörst du die aufgeregten "srieh-srieh"-Rufe der Mauersegler, die sich als erste auf den Weg nach Afrika machen. Bald folgen ihnen Weißstorch, Kuckuck, Star und Nachtigall.

Die Routen der Zugvögel

Zugweg_des_Weistorchs

Die Zugvögel reisen über verschiedene Routen nach Afrika. Ihre Bahn kannst du an den roten Pfeilen auf der Karte verfolgen. Einige fliegen über den Osten von Europa und Arabien bis nach Afrika. So haben sie immer Land unter sich und können eine Rast einlegen. Einige reisen nach Spanien und überfliegen die Meerenge von Gibraltar. Das ist eine kurze, aber gefährliche Route. Ziel sind die fruchtbaren Ebenen im Nigerbogen oder die Vogelparadiese an der Westküste Afrikas. Manche fliegen zum Tschadsee, der etwa in der Mitte von Nordafrika liegt. Welche Vögel nehmen welche Route?

 

Störche, Rauchschwalben und Bussarde ziehen auf der Westroute übers Mittelmeer

Die meisten Störche fliegen über Gibraltar bis nach Westafrika, das sind die "Westzieher". Ihre Flugroute führt übers Mittelmeer und erlaubt keine Zwischenlandung. Im Meer würden sie ertrinken. Deshalb sammeln sie sich vor der Küste von Spanien und warten die besten Flugbedingungen ab. Erst wenn ein paar erfahrene Störche zur Überquerung der Meerenge starten, folgen ihnen auch die jungen Störche.

Störche in Marrakesch

Alle Störche sind erleichtert, wenn sie auf der anderen Seite der Meerenge ankommen. Der Flug ist so anstrengend, dass sie erst mal ausgiebig Rast machen und auf Futtersuche gehen, wie hier in Marokko. Einige verabschieden sich bald. Sie reisen weiter nach Westafrika, zu den bedeutenden Vogelparadiesen an den Küsten von Mauretanien oder Senegal. Besonders Senegal bietet mit seinen riesigen Feuchtgebieten an der Atlantikküste in den Wintermonaten beste Bedingungen für die Überwinterung. In den Feuchtgebieten gibt es reichlich zu futtern, dann da wimmelt es von Insekten, Würmern, Käfern und Fröschen. Die Störche oben im Bild machen Rast auf einer Moschee in Marokko.

Der Sine-Saloum Nationalpark zählt zu den meistbesuchten Vogellschutzgebieten. Die "Langstreckenflieger" steuern die Sumpfgebiete des Okavango Deltas an. Nirgendwo in Afrika gibt es mehr Insekten, Käfer und Würmer. Manche reisen sogar bis nach Südafrika. Die meisten sind zwei Monate unterwegs. Wenn sie einen Umweg wählen müssen, etwa wegen schwerer Unwetter, kann ihre Reise sogar 3 Monate dauern.

Kraniche und Greifvögel fliegen auf der Ostroute über Land

Kraniche und Greifvögel nutzen die Route über Osteuropa und die Arabische Halbinsel. So verbringen sie die meiste Flugzeit über Land und können die warmen Aufwinde nutzen. Mit ihren langen, breiten Flügeln gleiten sie von Aufwind zu Aufwind und erreichen Höhen bis zu 4 000 Meter. Sie schonen so ihre Energiereserven für den langen Flug.

Fliegen im Schwarm

KranichKraniche, links im Bild, fliegen in großen Schwärmen. Man erkennt sie an der typischen Keilformation und den weit hörbaren Kontaktrufen. Durch die Keilformation sparen sie Energie. Warum? Hinter einem großen fliegenden Vogel entsteht ein Aufwind. Der Vogel dahinter muss sich dann weniger anstrengen. Die Vögel fliegen nie direkt hintereinander, sondern schräg versetzt. Der Vogel, der ganz vorne fliegt, muss sich am meisten anstrengen. Es ist ein erfahrener Vogel. Die Tiere dahinter sparen bis zu 30 Prozent Energie. Deswegen wechseln sie sich regelmäßig ab. Auf der Route entlang der ägyptischen Küste lauern die größten Gefahren. Vor allem die kleinen Singvögel bleiben in den Netzen der Vogelfänger hängen. Außerdem lauern ihnen viele hungrige Falken auf. Deshalb fliegen sie nachts über die Sahara.

Die Reise über die Sahara 

Der Flug über die Wüste ist besonders anstrengend, denn tagsüber ist es brütend heiß. Die meisten Vögel fliegen deshalb nachts. Tagsüber rasten die kleinen Vögel auf dem Erdboden. Erst bei Sonnenuntergang, wenn es abkühlt fliegen sie weiter.

Große und schwere Vögel bevorzugen den Flug am Tag. Sie fliegen in V-Formation, um Energie zu sparen. Dabei lassen sie sich von den heißen Luftmassen nach oben tragen und segeln Richtung Ziel. Ein Teil biegt nach Osten ab und hält Kurs auf den Tschadsee. Ein anderer Teil lässt sich in den Baumsavannen nieder. Hier finden die Zugvögel reichlich Nahrung, so dass es zu keiner Konkurrenz mit den einheimischen Vögeln kommt.

                   

Die "Autobahn" vieler Zugvögel ist der ostafrikanische Grabenbruch

SchwalbeHaben Kraniche und Greifvögel die Reise über die Sahara überstanden, dann kann nicht mehr viel schief gehen. Der Grabenbruch im Osten Afrikas ist die "Autobahn" der Zugvögel. Die Landschaft ist sehr charakteristisch, denn zwischen Bergketten liegen riesige, leuchtend blaue Seen. Hier können sie  sich nicht so leicht verfliegen. Außerdem finden sie an den Ufern der Seenkette jede Menge Futter. Ziel ist das Okavango Delta mit seinen riesigen Sumpfgebieten oder der Sambesi. Sie überfliegen die ätzenden Natronseen in Ostafrika, dann gelangen sie zu den Savannen, den Bergketten des Mondgebirges und kommen vorbei an tosenden Wasserfällen. Auf dem Foto rechts siehst du eine Mehlschwalbe

Die Kurz- und die Langstreckenzieher  

Kurzstreckenzieher fliegen nicht weiter als 2.000 Kilometer. Mitteleuropäische Kurzstreckenflieger zum Beispiel fliegen in die wärmeren Gebiete in Südeuropa und Nordafrika. Zu ihnen gehören Rotkehlchen, Feldlerche, Hausrotschwanz, Star, Singdrossel.

Mittelstreckenzieher überwintern zumeist in West- und in Zentralafrika. Sie legen eine Strecke zwischen 2 000 und 4 000 km zurück. Zu ihnen zählen Kranich, Kiebitz, Buchfink, Kormoran und Graugans.

Langstreckenzieher fliegen zwischen 4 000 und 6 000 km weit, bis sie ihr Ziel im südlichen Afrika erreichen. Zu ihnen zählen Mauersegler, Weißstorch, Küstenseeschwalbe, Rauchschwalbe, Mehlschwalbe, Zilzalp, Nachtigall und Kuckuck.

 

Mauersegler fliegen um die halbe Erde

MauerseglerDie Langstreckenzieher wie Küstenschwalbe und Mauersegler fliegen bis nach Südafrika. Sie ziehen in der Nacht. Manche Zugvögel legen dabei 10.000 Kilometer und mehr bis zu ihrem Ziel zurück. Auf ihrem Flug machen sie sich über Heuschreckenschwärme her oder über Insekten, die durch Brandrodungen vertrieben werden. Die großen Vögel versuchen die Strecke durchzufliegen. Die kleinen Vögel müssen mehrere Rasten einlegen. Die Mauersegler machen sich bereits Ende Juli, Anfang August auf den Weg nach Afrika. Du erkennst sie sofort an ihrem schrillen "srieh-srieh"-Rufen, die sie während ihrer halsbrecherischen Flüge entlang von Stadtmauern ausstoßen. Die alten Vögel fliegen zuerst los, die Jungen folgen ein paar Tage später. Warum? Die müssen erst noch ihren Babyspeck loswerden, denn mit Übergewicht können sie sich nicht so lange in der Luft halten. Ihren Weg finden sie von alleine, ohne elterliche Führung. Woher sie die Route kennen, ist ihr Geheimnis. Sie fressen im Fliegen, trinken im Fliegen über Wasserflächen und können sogar zum Teil schlafend fliegen. Sie sind die Kunstflugpiloten unter den Vögeln. In atemberaubendem Tempo rasen sie nah an Mauern entlang. Im Sturzflug erreichen sie Geschwindigkeiten von mehr als 200 km/h.

Welche Vögel noch alleine fliegen? Kuckuck, Brachvogel, Kiebitz, Singdrossel, Sumpfrohrsänger, Feldlerche, Fitis, Nachtigall und Hausrotschwanz. Abhängig von ihren Fettreserven und den Witterungsbedingungen legen sie an unterschiedlichen Orten Pausen ein.

 

Der Adler hält den Langstreckenrekord

Adler

Ein Adler wurde auf seiner 4monatigen Reise von Rostock nach Südafrika verfolgt. Er verließ Rostock Ende September. Eine Woche später erreichte er den Bosporus. Mitte Oktober überflog er den Suez Kanal. Dieser Teil der Reise verlief gemächlich, verglichen mit der Reise über Nordafrika. Er brauchte nur einen Monat, um durch Ägypten, Sudan, Äthiopien, Kenia und Tansania zu fliegen. Denn ab Ägypten befand er sich auf der "Vogel-Autobahn". Mitte November wurde seine Spur in Sambia wieder aufgenommen. Hier verweilte der Adler sechs Wochen, um wieder zu Kräften zu kommen. Anfang Januar erreichte er Simbabwe. In den Lobombo Bergen an der Grenze des Krüger Parks bezog er ein Nest. Nach vier Monaten machte er sich wieder auf die Rückreise nach Europa.

Schon gewusst? Selbst Kuckucke schaffen es bis nach Südafrika. Dort lassen sie sich in Gebieten mit vielen Bäumen, in Parks oder großen Gärten nieder.

 

Wer fliegt am frühesten, wer bleibt am längsten?

Der kleine Zilpzalp gehört zu den Zugvogelarten die am Längsten bei uns bleiben. Von Anfang April bis Ende Oktober ist er bei uns zu sehen, bevor er sich Anfang November wieder auf die Reise nach Südwesteuropa macht. Seinen Namen verdankt der unscheinbare Vogel seinen typischen Zilzalp-Rufen. Der Sumpfrohrsänger verbringt die kürzeste Zeit bei uns. Mitte Mai kommt er zu uns nach Deutschland und fliegt bereits nach circa 60 Tagen wieder nach Afrika, wo er die Gebiete südlich des Äquators aufsucht.