Das Auge von Atum

Am Anbeginn der Zeit gab es kein Leben auf Erden. Tiefe Finsternis beherrschte die Welt, die nur aus einem Urgewässer, dem „Nun“, bestand. Nur durch seinen eigenen Willen erschuf sich der erste Gott Atum selbst. Er tauchte aus dem Wasser auf und an der Stelle, an der er aus dem Gewässer trat, tauchte plötzlich Land auf – der „Urhügel“. Atum ließ sich auf ihm nieder, spuckte seinen Sohn, den Luftgott Schu, aus und erbrach seine Tochter, die Feuchtigkeit Tefnut. Doch eines Tages gingen Schu und Tefnut einfach fort. Atum weinte bitterlich darüber und aus seinen Tränen entstanden die ersten Menschen.

In seiner Verzweiflung schickte Atum eins seiner Augen fort, um seine Kinder zu suchen. Doch als das Auge mit Schu und Tefnut zurückkam, war es sehr erbost, weil Atum es mittlerweile durch ein anderes ersetzt hatte! Der Schöpfergott beruhigte sein Auge, stattete es mit mehr Macht aus als zuvor und setzte es in seine Stirn. Dort verwandelte es sich in eine aufbäumende Kobra –die Uräusschlange – um ihn zukünftig vor bösen Mächten und Feinden zu schützen. Nun konnte Atum mit der Schöpfung der Welt beginnen.

In der Zwischenzeit wurden Schu und Tefnut ein Paar. Tefnut gebar zwei Kinder: Geb und Nut, die sich ebenfalls sehr liebten. Doch ihr Vater Schu war damit nicht einverstanden und stellte sich zwischen die beiden. Er hievte Nut weit hinaus in den Himmel, bis ins Universum. Geb blieb auf der Erde. Nut galt von da an als Göttin des Himmels, Geb als Gott der Erde und Schu als Gott der Lüfte. Nut und Geb gelang es aber dennoch, vier Kinder zu zeugen: Osiris, Isis, Seth und Nephthys. So entstanden neun Götter, die sogenannte Enneade oder Neunheit von Heliopolis.