Als Sosu sein Dorf rettete
von Meshack Asare. Bombus Verlag 2003.
Sosu ist anders als die anderen. Als er ein Baby war, sehnten alle den Tag herbei, an dem er den ersten Schritt tun würde, aber dieser Tag kam nie. Seine Familie liebt Sosu und tut alles, damit auch die Dorfgemeinschaft ihn akzeptiert. Aber Sosu spürt die Ablehnung der anderen Menschen sehr genau. Er wird von den anderen Kindern gehänselt, die Erwachsenen betrachten ihn voller Mißtrauen. Denn in der Gegend sind die Menschen sehr abergläubig. Besonders die Fischer fürchten, dass der behinderte Sosu ihnen schaden könnte. Denn sie verehren den Lagunengeist, und der mag es nicht, dass sich körperlich versehrte Menschen in seinem Reich aufhalten. Deshalb sagen die Fischer zu Sosus Vater, dass er seinen Sohn besser zu Hause lassen soll. So kommt es, dass Sosu die meiste Zeit zu Hause ist, während seine Geschwister in die Schule gehen und seine Mutter das Feld bestellt. Sein einziger Freund ist der Hund Fusa, der auf ihn aufpasst, und mit dem er spielen kann.
Eines Tages jedoch ändert sich alles. Wie jeden Tag verlassen die Erwachsenen das Dorf, um zu fischen oder auf den Feldern zu arbeiten. Die Kinder gehen zur Schule, nur die Alten und die Gebrechlichen bleiben zurück. Plötzlich wird es dunkel, ein Sturm kommt auf und eine Flutwelle stürzt über das Dorf hinweg. Sosu fürchtet, dass er von den Fluten fortgerissen wird, so wie auch die anderen, die wie er zurückbleiben mussten. Doch was soll er tun, er kann nicht einfach davon laufen? Fusa, sein treuer Begleiter, erfasst die Situation. Der kleine Hund ermutigt Sosu, sich nicht von den Fluten abhalten zu lassen. Gemeinsam kämpfen sich Hund und Kind von der Hütte zu dem Hügel des Dorfes vor, wo die Trommeln aufbewahrt sind. Denn Sosu weiß, dass die Fischer das Trommeln hören.
Eine Geschichte aus Ghana
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Hier kannst du einen Auszug aus der Geschichte lesen
"... Es war ein Montag, und wie gewöhnlich verließen die meisten am Morgen das Dorf. Die Männer fuhren hinaus zum Fischen oder gingen auf die Felder, die Frauen arbeiteten in ihren Gärten außerhalb des Ortes, und die älteren Kinder besuchten die Schule im Nachbardorf.
Alles schien normal. Sosu spielte im Hof mit Fusa. Plötzlich aber wurde Fusa unruhig, er winselte und bellte. Die Hühner hörten auf zu scharren, flatterten auf ihre Stangen unter dem Holzdach, drängten sich angstvoll aneinander und gackerten nur noch leise.
Dann wurde es mit einem Mal so dunkel, als ob jemand eine schwarze Decke über den tiefblauen Himmel geworfen hätte! Das Murmeln des Meeres verwandelte sich in ein bösartiges Brüllen. Der Wind peitschte die Kokospalmen, sodass sie sich gefährlich weit zur Seite bogen. Und die Brandung trommelte und donnerte drohend gegen den Strand! Sosu lief es kalt den Rücken hinunter. Plötzlich ertönte ein lauter Knall! Wie ein riesiger Drachen schoss das alte, hölzerne Tor über den Hof! Es wirbelte durch die Luft, und schlug direkt neben Sosu krachend gegen die Mauer, wo es in tausend Teile zersplitterte! Sosu erschrakfürchterlich, zum Glück war er nicht verletzt worden. Er sah sich besorgt um. Wo war Fusa? Er rief nach seinem kleinem Freund, und gleich darauf kam Fusa aus einer Ecke des Hofs, in die er sich geflüchtet hatte. Sosu atmete erleichtert auf. Doch gleich darauf verschlug es ihm erneut den Atem. Eine schäumende Flutwelle stürzte in den Hof! Das Meer eroberte das Dorf!
Sosu wusste, mit der nächsten Flutwelle würde er von den Wassermassen eingeschlossen. Er musste etwas unternehmen. Und zwar schnell. Aber was? Die alten und gebrechlichen Leute, die bei den kleinen Kindern im Dorf geblieben waren, konnten nichts ausrichten. Ihm schoss durch den Kopf, dass sie ebenso vom Wasser eingeschlossen und ertrinken würden wie er, wenn das Meer weiter anstieg. Sosu versuchte gegen das Brüllen des Windes anzuschreien. Vergeblich. Nicht einmal seine eigene Stimme konnte er hören! Irgendetwas muss ich doch tun können, dachte er voller Angst.
Auch Fusa war völlig verängstigt. Dennoch schien er zu ahnen, dass Sosu verzweifelt überlegte, wie er Hilfe herbei holen konnte. Er hörte auf zu winseln und zu bellen, und sah Sosu mit klugen Augen an. "Die Trommeln!", rief Sosu in diesem Augenblick. Er musste zu den Trommeln, die, das wusste er ganz genau, in einem Schuppen hinter der Hütte des Dorfoberhaupts lagerten. Aber dessen Hütte lag weit weg, zu weit weg für einen Jungen mit gelähmten Beinen. Und die tobenden Wassermassen konnten selbst einem Menschen mit gesunden Beinen gefährlich werden. Sosu dachte wieder an die kleinen Kinder, die kranken und alten Leute und die hilflosen Tiere. Sie alle waren in größter Gefahr. Unverwandt schaute der Hund Sosu an, so als wüsste er was in Sosus Kopf vorging, und als wüsste auch er, wo die Trommeln zu finden waren. In seinen klugen Augen las Sosu: "Hab keine Angst. Wir schaffen es!"
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Wird Sosu die Bewohner rechtzeitig warnen und das Dorf retten können? Sicher findest du das Buch oder das Hörbuch (Titel: Die Katze sucht sich einen Freund) in deiner Kinderbibliothek!
Diese Geschichte wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem UNESCO Kinderliteratur Preis für Toleranz sowie dem IBBY- Preis als herausragendes Buch für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen (2001). Außerdem wurde es im Jahr 2000 zum besten Kinderbuch Afrikas gewählt.
Unter Afrika junior TV siehst du eine Lesung zu der Geschichte über Sosu mit dem Autor Meshack Asare.