Die Geschichte von Libyen

Acacus Felsmalereien (c) Roberto D'Angelo Vor tausenden von Jahren, als die Wüste noch eine fruchtbare Savanne war, lebten im Gebiet des heutigen Libyen Jäger und Sammler. Auf den Felsen und in Flusstälern haben sie sich mit kunstvollen Zeichnungen verewigt, wie du auf dem Foto rechts sehen kannst. Durch diese Felszeichnungen wissen wir, dass sie Großwild gejagt haben und wilde Tiere domestiziert haben. Einige waren Schamanen. Sie glaubten an eine höhere Macht und hielten religiöse Riten ab. Waren sie die Vorfahren der Berberstämme, die Jahrtausende später in ägyptischen Hieroglypthentexten erwähnt wurden? Man weiß es nicht. Die "grüne Sahara-Zeit" endete vor ungefähr 4 000 Jahren. Ursache waren Schwankungen in der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Richtig ungemütlich wurde es für die einheimischen Völker, als Eroberer aus Phönizien und Einwanderer aus Griechenland die Küsten eroberten. Mehr über die Geschichte von Libyen

Libyen und das Orakel von Delphi

Kyrene, Apollo Tempel (c) MM

Das Orakel von Delphi spielt eine große Rolle in der Geschichte Libyens. Es verkündete den griechischen Bewohnern, dass sie an der Küste von Libyen neue Siedlungen gründen sollten. Im 7. Jahrhundert v. Christus war es dann so weit. Griechische Auswanderer gründeten östlich der Großen Syrte die Stadt Kyrene und legten damit den Grundstein für die Kyrenaika. So nennt man die östliche Küstenebene von Libyen. Etwa zur selben Zeit gründeten die Phönizier westlich der Großen Syrte drei Handelsstädte und legten den Grundstein für Tripolitanien, das „drei-Städte“ Gebiet. Leptis Magna war die bekannteste punische Stadt. Danach wurde das libysche Gebiet für alle Großmächte im Mittelmeerraum bedeutsam. Ptolemäer, Karthager, Römer, Byzantiner, Araber, Türken, sie alle herrschten zeitweise über Tripolitanien und die Kyrenaika.

Die Garamanten und ihr Königreich aus Sand

Die Ruinen von Garma (c) FranzfotoFür die Römer waren die Wüstenbewohner im Fessan Wegelagerer, Plünderer und Gesetzlose. Kein Wunder, dass sie auf die Garamanten nicht gut zu sprechen waren, denn sie waren ihre großen Konkurrenten im lukrativen Handel mit Gütern und Sklaven. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot hingegen berichtet wundersame Dinge von den Garamanten: Über Salzseen hätten sie Erde gestreut, um darauf ihr Korn wachsen zu lassen. Und sie hätten Äthiopier gejagt, in Streitwagen, die von vier Pferden gezogen wurden. Warum waren die Garamanten Sklavenjäger? Sie brauchten Arbeitskräfte für ihr himmelstürmendes Wüstenprojekt. Sie wollten in einer der trockensten Wüsten der Welt, im Sandmeer des Fessan, blühende Wiesen erschaffen.

Die Wasserwirtschaft der Garamanten

Wandmalerei im Museum von Garma (c) DbenbennWie war das möglich? Mit einer ausgeklügelten Wasserwirtschaft. Sie hatten über mehrere tausend Kilometer ein Kanalsystem angelegt, das Foggara. Wo kam das Wasser her? Aus unterirdischen Wasserreservoirs. Von diesen Wasserreservoirs aus legten sie mehr als 600 Kanäle an, die in die Wüste führten. Über tausende Wartungsschächte,  die bis zu 40 Meter tief in die Erde gebaut waren, kontrollierten sie die unterirdischen Lebensadern. Eine sagenhafte Leistung, die nur mit tausenden von Sklaven bewältigt werden konnte. Mit dem Wasser bauten die Garamanten in der Wüste Mittelmeerpflanzen an wie Weizen, Gerste, Feigen und Trauben an. Sie pflanzten Palmen und Ziersträucher. Aber auch Pflanzen aus dem südlichen Afrika kultivierten sie wie Hirse. Sogar Baumwolle gedieh auf ihren Feldern, für die man besonders viel Wasser verbraucht. Wie du auf der Wandmalerei links sehen kannst, fertigten die Frauen der Garamanten aus der Baumwolle moderne Kleider.

Das Ende des Wüstenreiches

Garma, Garamantengräber (c) FranzfotoIm südlibyschen Wadi al-Haja stehen heute noch die Ruinen ihrer einstigen Hauptstadt Garama, wie du im Bild rechts oben sehen kannst. Hier errichteten die Garamanten bereits vor 2500 Jahren Häuser aus Stein. Das Leben aber tobte in der Blütezeit zwischen dem ersten und vierten Jahrhundert. Prunkstück Garamas war ein großer Tempel für den Wüstengott Ammon. Wohin sind diese genialen Wasseringenieure verschwunden? Was passierte um 500 nach Christus, warum gaben sie ihre Wüstenpaläste auf? "Das Wasser war alle", sagt der Archäologe David Mattingly. Der Reichtum der Garamanten basierte auf Grundwasser, vor Jahrmillionen eingelagert in unterirdischen Reservoirs. Diese zapften sie an und pumpten sie leer. Da in der Sahara aber kein Regen die unterirdischen Becken wieder auffüllt, waren die Vorkommen irgendwann erschöpft. Heute sieht man nur noch die Ruinen und Gräber der Garamanten.

Ein römischer Kaiser aus Nordafrika macht Geschichte

Septimius Severus (c) Bibi Saint-Pol

Der römische Kaiser Septimius Severus, der aus Leptis Magna stammte, drückte Libyen den Stempel Roms auf. Er stattete die drei Städte mit allem Prunk aus, den römische Architekten aufbieten konnten. Die Städte wuchsen und zogen Reisende aus allen Teilen der Welt an. Zeitweise übertraf der Prunk von Leptis Magna den von Rom.  Etwa 533 besetzten  die Byzantiner unter General Belisar das Land. Nach ihnen kamen die Araber und islamisierten die Berbervölker. 1551 eroberten die Osmanen auf ihrem Beutezug durch Nordafrika das libysche Gebiet. Schließlich griffen die Spanier nach Tripolitanien. Ihre Herrschaft wurde empfindlich gestört durch die Korsaren, die ab dem 19. Jahrhundert von Tripolis aus die Küsten Nordafrikas unsicher machten. Die räuberischen Piraten waren bestens mit modernen Schiffen ausgestattet und machten Raubzug auf die großen Handelsschiffe. Selbst die Großmacht USA begann Jagd auf die Korsaren zu machen.

Die Kolonialzeit und ihre schlimmen Folgen

Der Zentralbahnhof in Tripolis ca. 1930 (c) Elmondo21st

Im 19. Jahrhundert kämpften die europäischen Großmächte um die Vorherrschaft in Nordafrika. Jeder Staat wollte die Bodenschätze der afrikanischen Kolonien ausbeuten und seinen Reichtum vergrößern. Libyen war durch seine Mittelmeerhäfen besonders begehrt. Zuerst besetzte Italien das libysche Gebiet und baute Straßen und Eisenbahnen, um die Bodenschätze aus dem Land zu schaffen. Die erste Eisenbahn wurde 1912 nach Tripolis geliefert. Rechts im Bild siehst du den Zentralbahnhof in Tripolis, wie er etwa um 1930 aussah. Bald verwickelten sich die Italiener in Grenzstreitigkeiten mit den Franzosen, beide Mächte wollten ihre Gebiete auf Kosten des anderen erweitern. Auf die einheimische Bevölkerung nahmen sie keine Rücksicht. So wurde auch der zweite Weltkrieg bis nach Libyen getragen. Denn nun kämpften auch Deutsche und Briten um die Hafenstädte an der Mittelmeerküste. Es kam zu einer entscheidenden Schlacht bei Tunis. Italien und Deutschland unterlagen. Zwischen 1943 – 1949 bestimmten Großbritannien und Frankreich über Libyen. Die Bevölkerung wehrte sich tapfer gegen die Bevormundung. Schließlich konnte sie 1949 die Fremdherrschaft abschütteln. Die Vereinten Nationen beschlossen, den Wüstenstaat in die Unabhängigkeit zu entlassen.

Libyen startet in die Unabhängigkeit

King Idris I. of Libya 1965 (c) Libyan Information Ministry

Anfangs wurde in Libyen ein Königreich errichtet. Das Oberhaupt der islamischen Bruderschaft Senussi wurde König und nannte sich König Idris As-Senussi. Links im Bild siehst du König Idris As-Senussi. Dieser König regierte so autoritär, dass sich das Volk erneut betrogen fühlte. Es hatte für die Freiheit gekämpft, nicht für eine neue islamische Herrschaft. Rebellen bewaffneten sich, stürzten die Monarchie und riefen die Republik Libyen aus. Unter den Rebellen befand sich der unerschrockene Kämpfer Muammar al Gaddafi, sein Totem war der Leopard. Er war entschlossen, mit Fremdherrschaft wie auch mit islamischer Diktatur zu brechen. Er hatte viele Verbündete und mächtige Gegner. Würde es ihm gelingen?

 

Gaddafi, ein moderner Despot prägte vier Jahrzehnte das Land

Gaddafi 1972 (c) mirror uk newsMuammar al-Gaddafi gelang es nach vielen Kämpfen, 1969 die Macht zu ergreifen. Er bestimmte 42 Jahre lang die Politik des Landes. Damit zählte er zu den dienstältesten Herrschern der Welt. Libyen war eine Volksrepublik geworden. Doch die Macht lag bei Gaddafi, der nicht nur die Regierung bestimmte sondern zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte war. Der einstige Rebell hatte viel vor. Er versuchte die Spuren der Kolonialisierung im Land zu tilgen wie auch die islamischen Kräfte zurück zu drängen. Er sorgte dafür, dass der Großteil der Einnahmen der Bevölkerung zukam und nicht internationalen Ölfirmen. Das Land erlebte einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. 2011 zählte Libyen zu den am weitesten entwickelten Ländern Afrikas. Zugleich setzte sich Gaddafi für ein geeintes Afrika ein. Die Könige und Stammesfürsten wählten ihn  zum "König aller Könige." General Gaddafi hatte bedeutende Fortschritte im Land erreicht, vor allem in der Bildung und im Aufbau eines modernen Gesundheitswesens. Doch seine wiederholten Eingriffe in fundamentale Menschenrechte und Freiheiten führten zum Beginn einer Revolution des libyschen Volkes.

Die Revolution im Jahr 2011

Die Menschen im Land waren zerrissen. Die Demokraten verübelten Gaddafi, dass er die Pressefreiheit einschränkte und sich in die Rechtssprechung einmischte. Den islamischen Kräften war er wiederum nicht islamisch genug. Es kam zu einem grausamen Bürgerkrieg. Dann schritt die UN ein und besiegte Gaddafi und seine Armeen in einem massiven Luftkrieg. Die Weltöffentlichkeit war empört, denn viele Zivilisten wurden Opfer des Luftkriegs. Die Menschen flüchteten aus den Städten oder über die Landesgrenzen. Kinder verloren ihre Eltern. Offiziell wurde die Befreiung von Gaddafi am 23. Oktober 2011 groß gefeiert. Tatsächlich litt die Bevölkerung unter dem Krieg und seinen Folgen mehr als zuvor. Städte waren zerstört, die Wirtschaft geriet aus den Fugen. Die Schulen waren großenteils geschlossen. Im August 2012 wurde ein Nationaler Übergangsrat gewählt. Würde er es besser machen als Gaddafi?